Polen und Ungarn blockieren seit einigen Wochen den nächsten Sieben-Jahres-Haushalt der Europäischen Union (EU) – und damit auch dringend benötigte, milliardenschwere Corona-Konjunkturhilfen aus Brüssel. Die beiden Länder stören sich an einer neuen Klausel, die die Vergabe von EU-Geldern ab 2021 an die Einhaltung rechtsstaatliche Standards knüpft.
Nun signalisiert Polen kurz vor dem EU-Gipfel eine Verständigung mit Deutschland im EU-Haushaltsstreit. »Es gibt eine Absprache im Dreieck Warschau-Berlin-Budapest«, sagte Polens Vizeregierungschef Jaroslaw Gowin in Warschau. Er glaube, dass auch die übrigen 24 Hauptstädte innerhalb der EU diese Vereinbarung mittragen könnten. Deutschland hat aktuell die EU-Ratspräsidentschaft inne und vermittelt im Streit zwischen Polen, Ungarn und der EU.
Details dazu, wie die Lösung aussehen könnte, nannte Gowin nicht. Er sei optimistisch, dass es Regierungschef Mateusz Morawiecki während des EU-Gipfels an diesem Donnerstag und Freitag gelingen werde, ein »gutes Abkommen« in der Frage des EU-Haushalts zu verhandeln.
Im Streit geht es um einen an den Haushalt gekoppelten Rechtsstaatsmechanismus. Dieser soll es ab 2021 ermöglichen, Verstöße gegen rechtsstaatliche Standards mit der Kürzung von EU-Geldern zu ahnden. Die EU-Kommission hofft damit Polens und Ungarns Kurs einfangen zu können: In den vergangenen Jahren wurde dort die Unabhängigkeit der Justiz beschnitten, die Medienfreiheit eingeschränkt, der Druck auf Schulen, Universitäten sowie Kulturinstitutionen erhöht. Polen stellt sich auch gegen die Legalisierung der gleichgeschlechtlichen Ehe.
Nur noch »einen Zentimeter« von einer Lösung entfernt
Außer den beiden Ländern sind alle EU-Länder für die Einführung des Rechtsstaatsmechanismus. Mittlerweile werden aus einigen EU-Staaten Stimmen laut, den Konflikt eskalieren zu lassen (mehr dazu lesen Sie hier).
Das Haushalts-Veto könnte dazu führen, dass der EU im neuen Jahr zunächst nur eine Art Notbudget zur Verfügung steht. Zahlreiche Programme aus Bereichen wie Forschung, Gesundheit, Bildung und Jugend könnten dann nicht starten. Doch bereits am Dienstagabend hatte Ungarns Regierungschef Viktor Orbán nach Gesprächen mit Morawiecki in Warschau gesagt, man sei nur noch »einen Zentimeter« von einer Lösung entfernt.
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