Die Kanzlerin ist auf Erklärungstour: Binnen wenigen Wochen hat Angela Merkel mehrere der sonst seltenen Fernsehinterviews gegeben. Im Gespräch mit ZDF-Moderatorin Marietta Slomka verteidigte sie nun erneut die Corona-Politik der Bundesregierung.
Merkel widersprach der Kritik, dass Deutschland und die EU bei den Verhandlungen um Corona-Impfstoffe zu sparsam gewesen seien. »Für mich stellt es sich nicht so dar, dass wir knausrig waren«, sagte sie. »Es ist genug Impfstoff bestellt worden.« Als Versäumnis nannte Merkel hingegen, dass nicht ausreichend auf eine zu erwartende anfängliche Impfstoffknappheit hingewiesen worden sei. »Die ersten Wochen sind jetzt knapp, und das haben vielleicht auch manche Menschen anders erwartet.« Im März aber würden die Impfzentren voll ausgelastet sein.
Tatsächlich hat die EU-Kommission zwar große Mengen an Impfstoffen von verschiedenen Herstellern geordert, aber im Vergleich etwa zu den USA erst spät und ohne groß angelegte Förderung der Produktionskapazitäten. Deutschland kommt beim Impfen daher nur schleppend voran, bis zu einer ausreichenden Immunisierung der Bevölkerung wird es noch Monate dauern.
In der Zwischenzeit wollen Bund und Länder die Infektionszahlen weiter mit harten Einschränkungen unter Kontrolle bekommen.
Merkel sagte, bei Lockerungen des Shutdowns müsse jeweils ein »Infektionszyklus« abgewartet werden. Liege die Sieben-Tage-Inzidenz nach einem Öffnungsschritt »zwei Wochen lang stabil unter 35, dann können wir den nächsten Schritt ins Auge fassen«, sagte die Kanzlerin.
Sie sehe »drei Stränge« bei den noch stark eingeschränkten Bereichen:
»Wir müssen politisch entscheiden, welche Öffnungsschritte aus welchem Strang wollen wir jetzt als nächste«, sagte Merkel. Dies werde auch bei den nächsten Bund-Länder-Beratungen am 3. März besprochen.
Die Kanzlerin verwies auf die Gefahr der ansteckenderen Coronavirus-Varianten. »Deshalb müssen wir besonders aufmerksam sein«, mahnte sie. Es hänge »von uns und klugen Öffnungsschritten ab, ob wir ohne eine groß ausgeprägte dritte Welle durch die Pandemie kommen oder ob wir zu unvorsichtig sind und dann doch wieder vielleicht steigende Fallzahlen haben, was ich vermeiden möchte.«
»Wir haben eine schwierige Zeit jetzt hinter uns und sind noch mitten in ihr«, räumte Merkel ein. »Aber wir haben in den letzten dreieinhalb Wochen die Fallzahlen immerhin halbiert. Das heißt: Wir sind auf einem Ast, der absteigt.«
Die Schwelle von 50 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohnern binnen sieben Tagen könne bald unterschritten werden, »wenn wir uns noch an die Kontaktbeschränkungen halten«, sagte die Kanzlerin. »Ich glaube, dass wir die Inzidenz schon am 1. März erreichen können.«
Kritisch blickte Merkel in dem Interview auf die Vorgehensweise im vergangenen Herbst. Man sei »zu zögerlich rangegangen« bei den Vorsichtsmaßnahmen. »Ich habe damals kein gutes Gefühl gehabt, aber ich habe die Entscheidung mitgetragen«, sagte Merkel. Ähnlich hatte sie sich bereits am Donnerstag im Bundestag geäußert.
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