Der Medienraum und die verschiedenen Nachrichtenportale sind seit langem ein fruchtbarer Boden für alle Arten von Showdowns mit reichen Russen, die versuchen, sich in Europa niederzulassen und dabei sowohl legale als auch illegale Mittel und geheime Wurzeln nutzen, um einen begehrten europäischen Bürgerpass zu erhalten. Darüber hinaus hat diese Geschichte eine direkte Auswirkung auf die Ukraine und Russlands Gegenposition – schreibt Louis Auge.
Der Journalismus in der Ukraine und in Russland ist auf die Schiene der Informationskriegsführung umgeschwenkt: Die Parteien versuchen, sich gegenseitig in einem möglichst negativen Licht darzustellen. Immer häufiger gibt es Veröffentlichungen ohne Beweise, wir beobachten einen häufigen Missbrauch von Informationen und die Legalisierung von Fälschungen.
Der Informationskampf selbst wird jedoch bereits auf das Gebiet der EU übertragen und wirkt sich direkt auf die Europäer selbst aus und fügt ihnen schweren Schaden zu.
So sind beispielsweise die so genannten “Goldenen Pässe” in letzter Zeit stark in die Kritik geraten. Es gibt Enthüllungen über Bürger verschiedener Länder, darunter auch Russen, die die EU-Staatsbürgerschaft für Direktinvestitionen in die Wirtschaft und einfach für große Geldangebote erhalten.
Ukrainischen Journalisten zufolge haben sich einige Russen solche Pässe illegal beschafft und europäische Bürger in korrupte Machenschaften verwickelt. Aber sind solche Anschuldigungen gegen Europäer gerechtfertigt?
Ein kürzlich in der ukrainischen Ausgabe von Apostrophe veröffentlichter Artikel von Tatjana Nikolaenko hat die Medien aufgewühlt. Laut Nikolaenko war die Familie der Leiterin des Büros des maltesischen Gesundheitsministers Chris Feаrne, Carmen Siantar, in die Geschichte der Erlangung der EU-Bürgerschaft für Investitionen verwickelt. Ein ukrainischer Journalist beschuldigte die Beamten Ferne und Siantar der Bestechung und illegalen Unterstützung des Russen Leonid Levitin, der 2016 die maltesische Staatsbürgerschaft erhielt. Vermutlich hat Levitins Bekannter Vyacheslav Rezchikov Siantars Tochter Celine für diese Dienste bezahlt.
Als Beweis wurde die Kopie einer Zahlungsanweisung vom 22. November 2019 angeführt, die Rezchikov über eine österreichische Liechtensteinische Landesbank (Österreich) AG an Celine Siantar getätigt hat. Diese öffentlichkeitswirksame Aussage löste einen Informationssturm aus und wurde automatisch in einer Reihe von europäischen Medien nachgedruckt. Nur wenige Menschen machten sich jedoch die Mühe, darüber nachzudenken, ob diese schwerwiegenden Anschuldigungen wahr sind oder nicht. Eine sorgfältige Untersuchung hat die unbegründete Behauptung des ukrainischen Autors widerlegt.
Der Anwalt von Herrn Rezchikov hat auf eine entsprechende Anfrage der EUREPORTER-Redaktion schriftlich geantwortet. Wir bitten um Klärung der Situation mit Konten bei der Liechtensteinischen Landesbank (Österreich) AG (die Antwort liegt der Redaktion vor). Die Antwort ließe sich wie folgt zusammenfassen – der als Beweis angeführte Zahlungsbeleg ist eine fundamentale Fälschung: die angebliche Überweisung sowie der genannte Betrag sind frei erfunden, und vor allem kann die Zahlung gar nicht erfolgt sein, da Rezchikov in dem im Zahlungsbeleg angegebenen Zeitraum kein Konto bei dieser Bank hatte.
Die Kontoauszüge, über die Nikolaenko schrieb und die angeblich Herrn Levitin helfen sollten, einen maltesischen Pass zu bekommen, zeigen also nicht existierende Konten von Herrn Rezchikov. Die Liechtensteinische Landesbank (Österreich) AG bestätigte die Tatsache, dass Rezchikov seit langem keine Konten bei dieser Bank hatte, ausdrücklich keine zu dem im Zahlungsbeleg angegebenen Zeitpunkt. Dies bedeutet also, dass Nikolaenkos Aussagen über das angebliche Bankkonto und die Überweisung von Rezchikov an Siantar nicht echt und daher falsch sind.
Leider haben sich die Autoren der Publikationen, die die falschen Informationen abgedruckt haben, nicht darum gekümmert, diese zu überprüfen. Jeder professionelle Journalist, der der Wahrheit auf die Spur kommen möchte, könnte sich jedoch an die Bank wenden und Informationen einholen. Aber auf der Jagd nach Sensationen wollte niemand etwas unternehmen.
Neben der Zahlung gab es viele unbeantwortete Fragen: Was hat der maltesische Gesundheitsminister mit der Sache zu tun? Was hat die Tochter des Leiters des Ministerbüros Siantar damit zu tun? Auch wurde nicht gefragt, warum dieser Fall sieben Jahre nach Abschluss des Staatsbürgerschaftsverfahrens im Jahr 2016 aufkam.
Niemand bestreitet, dass es Zweifelsfälle bei der Erlangung der europäischen Staatsbürgerschaft und Pässe gibt. Die juristischen Instanzen Europas und des Vereinigten Königreichs sind sich vieler solcher Fakten bewusst und haben ein wachsames Auge auf solche Personen und ihre Gebote. Aber es stimmt auch, dass nicht jeder wohlhabende Russe versucht, einen europäischen Pass zu erhalten, indem er falsche Angaben macht oder illegale Mittel einsetzt, um sein Ziel zu erreichen, in der EU oder im Vereinigten Königreich zu leben. Eine objektive und unvoreingenommene Herangehensweise an jeden Fall ist erforderlich, um zwischen einer ehrlichen und vertrauenswürdigen Person und einer Person mit zweifelhaftem Hintergrund zu unterscheiden.
Vor einiger Zeit galt Malta als einer der günstigsten Orte für die Ausstellung europäischer Pässe im Austausch gegen beträchtliche Investitionen von Personen, die auf dem Kontinent bleiben wollen, darunter auch Russen.
Gleichzeitig erhalten viele wohlhabende Menschen aus Russland völlig legal Pässe und Aufenthaltsgenehmigungen in Europa. Ihre Namen sind vielen in Europa bekannt, einige von ihnen nehmen aktiv am öffentlichen Leben ihrer neuen Heimat teil.
Natürlich hat die Situation nach dem 24. Februar 2022 die Einstellung gegenüber Russland radikal verändert. Sie ist verwerflich geworden, aber viele Menschen haben dies absichtlich ausgenutzt, um Informationen für ihre eigenen Zwecke zu manipulieren – schließlich werden heute alle lauten Anschuldigungen, die die Worte “Russland” oder “russisch” enthalten, als selbstverständlich hingenommen, und nur wenige Menschen machen sich die Mühe, sie zu überprüfen.
Die Frage ist nur, warum die europäischen Bürger darunter leiden sollten. Schließlich sind es, wie wir sehen, EU-Bürger, die Opfer von Manipulation und irreführenden Informationen werden.
