In dieser Woche jährt sich zum 88. Mal der Erlass der Nürnberger Gesetze durch Nazi-Deutschland. Der dunkle Schatten, den sie warfen, bleibt ein bleibendes Zeugnis für die Fähigkeit der Menschheit zur Grausamkeit. Sie institutionalisierten die Rassendiskriminierung und die Verfolgung der Juden und waren ein erschreckender Vorläufer der Schrecken des Holocausts. Über ihre historische Bedeutung hinaus bieten sie jedoch eine deutliche Lehre für unsere heutige Welt im Kampf gegen Rassismus und Vorurteile – schreibt Baruch Adler, stellvertretender Vorsitzender des International March of the Living, anlässlich des Jahrestags der Verabschiedung der Nürnberger Gesetze.
Die Nürnberger Gesetze, bestehend aus dem Reichsbürgergesetz und dem Gesetz zum Schutz des deutschen Blutes und der deutschen Ehre, zielten darauf ab, den Juden ihre Grundrechte und ihre Würde zu nehmen. Diese Gesetze kriminalisierten die Teilnahme der Juden am öffentlichen Leben, ihr Engagement für die deutsche Kultur und sogar ihr Recht, nichtjüdische Deutsche zu heiraten. Mit den Nürnberger Gesetzen wurden die Juden im Wesentlichen zu Bürgern zweiter Klasse degradiert und ihre Verfolgung legitimiert.
Die Folgen dieser Gesetze waren geradezu katastrophal. Familien wurden auseinandergerissen, Existenzen zerstört, und die jüdische Gemeinschaft in Deutschland wurde von einer allgegenwärtigen Angst eingehüllt. Diese Gesetze bildeten die Grundlage für den monströsen Vernichtungsfeldzug des Nazi-Regimes, den Holocaust. Der systematische Völkermord an sechs Millionen Juden lässt sich auf die durch die Nürnberger Gesetze eingeleitete Entmenschlichung und Verfolgung zurückführen.
Dennoch gibt es auch heute noch Menschen, die den Holocaust leugnen oder entstellen wollen. Die Worte des palästinensischen Präsidenten Mahmoud Abbas wurden zu Recht von den USA, der Europäischen Union und anderen verurteilt. Doch ebenso wie seine abscheuliche Äußerung, dass die Vernichtung der Juden in Deutschland durch die Nazis kein “rassistisches” Unternehmen gewesen sei, war die Verabschiedung der antisemitischen Ideologie der Nazis im Rahmen der Nürnberger Gesetze kein Einzelfall.
Die Nürnberger Gesetze veranschaulichen, wie leicht eine Gesellschaft in die Finsternis abgleiten kann, wenn sie von Hass und Intoleranz angeheizt wird, denn die Bürger wurden gezwungen, diese diskriminierenden Gesetze zu befolgen, wodurch eine Kultur der Befolgung und Konformität entstand. Heute, mit den sozialen Medien, sind diese Trends, diese abscheulichen Äußerungen weit über Grenzen und Kontinente hinaus verbreitet. Sie dringen in den Diskurs der jüngeren Generationen ein, die nicht verstehen – oder zumindest die Tragweite nicht erkennen – wohin solche Überzeugungen und bissigen Ideologien führen können.
In diesem Zusammenhang kann die Bedeutung der internationalen Organisationen zur Aufklärung und Erinnerung an den Holocaust nicht hoch genug eingeschätzt werden. Der “March of the Living” zum Beispiel bringt junge Menschen aus den verschiedensten Ecken der Welt zusammen und ermöglicht ihnen den Besuch von Holocaust-Stätten, Konzentrationslagern und Ghettos. Indem sie die Überreste dieses dunklen Kapitels der Geschichte aus erster Hand erleben, gewinnen die Teilnehmer tiefe Einblicke in die Folgen von Bigotterie und Diskriminierung.
Der Marsch der Lebenden ist eine unschätzbare Gelegenheit für junge Menschen, sich mit der Vergangenheit zu verbinden und die Lehren aus dem Holocaust in die Zukunft zu tragen. Der Marsch der Lebenden fördert Empathie, Toleranz und das Engagement dafür, dass sich solche Gräueltaten niemals wiederholen. Durch Bildung und Gedenken schlagen diese Organisationen eine Brücke zwischen der Vergangenheit und der Gegenwart und sorgen dafür, dass die Erinnerung an den Holocaust als Leuchtfeuer des Widerstands gegen Rassismus weiterlebt.
Entscheidend ist, dass in den letzten Jahren viele der Nationen, auf deren Boden sich die Gräueltaten des Holocaust ereignet haben, einen tiefgreifenden Prozess der Gewissenserforschung und Selbstprüfung durchlaufen haben, der zu einer Verpflichtung geführt hat – wie die Nürnberger Gesetze, die in Kraft getreten sind, jedoch diametral entgegengesetzt -, um sicherzustellen, dass Antisemitismus und andere Formen des Rassismus nie wieder zugelassen werden können.
Deutschland steht seit vielen Jahren an der Spitze dieser Welle der Gerechtigkeit – aber immer mehr Länder in ganz Europa sind diesem Beispiel gefolgt. Andere hingegen leider nicht. Zudem sehen wir in vielen Ländern Europas einen gefährlichen Anstieg des Rechtsextremismus in den Umfragen. Auch in Deutschland und Österreich, Italien, Frankreich, Ungarn und Polen. Die Ideologie dieser Parteien hat ihre Wurzeln im Neonazi-Hass, und sie gewinnen ihre Unterstützung durch populistische Panikmache, die Verbreitung von Unwahrheiten und Aufwiegelung.
Der Jahrestag der Nürnberger Gesetze darf daher nicht stillschweigend begangen werden. Alle, die sich für eine friedliche Zukunft für alle einsetzen, müssen diese Gelegenheit nutzen, um Alarm zu schlagen. Was mit einer hasserfüllten Schrift beginnt, wird zu einer hasserfüllten Politik, die zu hasserfüllten Gesetzen wird – ein Weg, der bis an die Pforten der Hölle führen kann. Und es ist eine Reise, die viel schneller geht, als man sich vorstellen kann. Hitler brauchte dafür weniger als ein Jahrzehnt – und er hatte keine sozialen Medien, um seinen Hass zu verbreiten.
