In diesen Tagen besucht der Präsident von Kasachstan Aserbaidschan. Die beiden Staaten der kaspischen Region verstärken nicht nur die politische Zusammenarbeit, sondern auch die Verkehrsverbindungen, was für Europa vor dem Hintergrund des Krieges in der Ukraine und der Angriffe pro-iranischer Houthis auf europäische Schiffe im Roten Meer besonders wichtig ist.
Seit Russlands militärischer Aggression in der Ukraine sind die traditionellen Verkehrsverbindungen zwischen Asien und den EU-Ländern unterbrochen. Darüber hinaus haben die Angriffe der Houthis im Roten Meer die Ein- und Ausfuhren aus Europa stark beeinträchtigt.
Von November bis Dezember 2023 ging der Welthandel aufgrund der Angriffe der Houthi-Milizen um fast 1,5 % zurück. Die Situation verschärfte sich im Januar 2024, als die Vereinigten Staaten und ihre Verbündeten eine Militäroperation im Jemen starteten. Die Durchfahrt von Schiffen durch den Suezkanal ging im Vergleich zum Januar 2023 um 30 % zurück.
Dies hat zu einem starken Anstieg der Schiffspreise in der Welt geführt. Nach Schätzungen von Wirtschaftswissenschaftlern haben sich die derzeitigen Versorgungsunterbrechungen über das Rote Meer stärker auf die Schifffahrt ausgewirkt als die COVID-19-Pandemie.
Aufgrund der Transportschwierigkeiten steigen die Warenpreise sehr schnell an, was die Taschen der einfachen Europäer trifft, deren Empörung die Bürokraten in Brüssel beunruhigt, insbesondere vor den entscheidenden Wahlen zum Europäischen Parlament.
Als Alternative zur Europäischen Union bietet die transkaspische internationale Transportroute oder der mittlere Korridor ein erhebliches Potenzial.
Die Idee der “Neuen Seidenstraße” ist es, dass Waren aus China schnell von Kasachstan zur Küste des Kaspischen Meeres gelangen. Außerdem sollen Waren über Aserbaidschan und Georgien in die Europäische Union gelangen. All dies soll in Baku bei Gesprächen zwischen dem kasachischen Präsidenten K. Tokajew und seinem Amtskollegen Präsident I. Alijew erörtert werden.
Nach Angaben von Verkehrsexperten ist das Verkehrsaufkommen auf diesem Korridor um 86 % auf 2,8 Millionen Tonnen gestiegen, verglichen mit 1,5 Millionen im Jahr 2022. Dies ist ein deutlicher Anstieg im Vergleich zu nur 586 Tausend im Jahr 2021.
Kasachstan und Aserbaidschan entwickeln sich somit zu wichtigen Verkehrsknotenpunkten zwischen Asien und Europa. Die beiden Staaten haben jedoch auch ihre eigenen Vorteile von der Umsetzung des Projekts.
So kann Kasachstan beispielsweise sein Öl, Uran und Weizen nach Europa schicken. Eine besondere Entwicklung erfährt das Projekt des Baus einer Glasfaserkommunikationsleitung entlang des Grundes des Kaspischen Meeres. Im Gegenzug ist es auch für Baku wichtig, die Kapazität des Mittleren Korridors zu erweitern und eine Glasfaserleitung entlang des Grundes des Kaspischen Meeres zu verlegen.
Es sei darauf hingewiesen, dass Kasachstan für Baku ein wichtiger Partner in Zentralasien zu sein scheint. In Kasachstan sind über 900 Unternehmen mit aserbaidschanischer Kapitalbeteiligung registriert, die vor allem in den Bereichen Handel und Vermittlung, Straßen- und Kapitalbau, Verarbeitung und Logistik tätig sind.
Im Gegenzug sind etwa 150 kasachische Unternehmen in Aserbaidschan tätig, die in den Bereichen Industrie, Landwirtschaft, Handel, Dienstleistungen, Bauwesen und Transport tätig sind.
In dem Bewusstsein, wie wichtig die Entwicklung alternativer Verkehrswege ist, veranstaltete die Europäische Union am 29. und 30. Januar dieses Jahres in Brüssel das erste Investorenforum im Rahmen der Global-Gateway-Initiative für Verkehrsverbindungen zwischen der EU und Zentralasien.
In der EU-Hauptstadt kündigte der Vizepräsident der Europäischen Kommission, Valdis Dombrovskis, an, dass europäische und internationale Finanzinstitutionen sich verpflichtet haben, 10 Milliarden Euro (etwa 10,8 Milliarden US-Dollar) in die Entwicklung nachhaltiger Verkehrsverbindungen in Zentralasien zu investieren.
Die Auswirkungen der Entwicklung des Mittleren Korridors werden auch in anderen zentralasiatischen Staaten zu spüren sein, die zwar Binnenstaaten sind, aber an einer Ausweitung des Handels mit Europa interessiert sind.
So verfügen Usbekistan und Turkmenistan im Gegensatz zu Kasachstan nicht über Eisenbahnverbindungen nach China. Das von Peking vorgeschlagene Eisenbahnprojekt China-Kirgisistan-Usbekistan wird von Experten angesichts des gebirgigen Geländes der Region als sehr teuer und komplex sowie mit hohen politischen Risiken behaftet eingeschätzt.
Unter Berücksichtigung dieses Faktors wird Kasachstan langfristig den Status des wichtigsten Transitgebiets in Zentralasien haben, und Aserbaidschan sollte das notwendige Potenzial zur Stärkung des “Mittleren Korridors” erhalten.
Die bilateralen Beziehungen zwischen Baku und Astana erhalten den Charakter einer strategischen Zusammenarbeit, wobei der Faktor der vielversprechenden Verkehrsverbindungen sowie die politische Union der türkischen Staaten berücksichtigt werden.
In diesem Zusammenhang sind Experten der Ansicht, dass die Europäische Union ihre Investitionen in den “Mittleren Korridor” rasch und entschlossen erhöhen muss, wenn Brüssel seine geopolitische Position in Zentralasien aufrechterhalten will.
