Laut dem neuesten Entwurf des umstrittenen EU-Verordnungsvorschlags zum sexuellen Kindesmissbrauch, der der französischen Nachrichtenorganisation Contexte zugespielt wurde, wollen die EU-Innenminister die beruflichen Konten von Mitarbeitern der Geheimdienste, der Polizei und des Militärs von der geplanten Durchsicht von Chats und Nachrichten ausnehmen (Artikel 1 (2a)). Die Verordnung soll auch nicht für “vertrauliche Informationen” wie Berufsgeheimnisse gelten (Artikel 1 (2b)). Die EU-Regierungen lehnen es ab, dass das neue EU-Kinderschutzzentrum sie bei der Prävention von sexuellem Kindesmissbrauch unterstützt und bewährte Verfahren für Präventionsinitiativen entwickelt (Artikel 43 (8)), schreibt der Europaabgeordnete der Piratenpartei Patrick Breyer.
Dass die EU-Innenminister Polizisten, Soldaten, Geheimdienstler und sogar sich selbst von der Chat-Kontrolle ausnehmen wollen, beweist, dass sie genau wissen, wie unzuverlässig und gefährlich die Schnüffelalgorithmen sind, die sie auf uns Bürger loslassen wollen. Sie scheinen zu befürchten, dass selbst militärische Geheimnisse, die nichts mit sexuellem Kindesmissbrauch zu tun haben, jederzeit in den USA landen könnten.
Die Vertraulichkeit der Regierungskommunikation ist sicherlich wichtig, aber dasselbe muss auch für den Schutz der Kommunikation von Unternehmen und natürlich von Bürgern gelten, einschließlich der Räume, die Missbrauchsopfer selbst für einen sicheren Austausch und eine Therapie benötigen. Wir wissen, dass die meisten Chats, die durch die heutigen freiwilligen Schnüffelalgorithmen durchsickern, für die Polizei nicht relevant sind, zum Beispiel Familienfotos oder einvernehmliches Sexting. Es ist empörend, dass die EU-Innenminister selbst die Folgen der Zerstörung des digitalen Briefgeheimnisses und der sicheren Verschlüsselung, die sie uns auferlegen, nicht tragen wollen.
Das Versprechen, dass Berufsgeheimnisse von der Chat-Kontrolle nicht betroffen sein sollen, ist eine in Paragraphen gegossene Lüge. Kein Anbieter und kein Algorithmus kann wissen oder feststellen, ob ein Chat mit Ärzten, Therapeuten, Anwälten, Strafverteidigern usw. geführt wird, um ihn von der Chatkontrolle auszunehmen. Durch die Chat-Kontrolle droht unweigerlich das Durchsickern von intimen Fotos, die zu medizinischen Zwecken verschickt werden, und von Prozessunterlagen, die zur Verteidigung von Missbrauchsopfern verschickt werden.
Es spricht dem offiziellen Ziel des Kinderschutzes Hohn, dass die EU-Innenminister die Entwicklung von Best Practices zur Prävention von sexuellem Kindesmissbrauch ablehnen. Es könnte nicht deutlicher sein, dass das Ziel dieses Gesetzentwurfs eine Massenüberwachung nach chinesischem Vorbild ist und nicht der bessere Schutz unserer Kinder.
Echter Kinderschutz würde eine systematische wissenschaftliche Auswertung und Umsetzung multidisziplinärer Präventionsprogramme sowie europaweite Standards und Leitlinien für strafrechtliche Ermittlungen bei Kindesmissbrauch, einschließlich der Identifizierung der Opfer und der notwendigen technischen Mittel, erfordern. Nichts davon ist von den EU-Innenministern geplant.
Die EU-Regierungen wollen das Chat-Kontrollgesetz bis Anfang Juni verabschieden.